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Abschuss? Der Luchs im Visier des Ministers

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Macht das Luchs-Programm im Erzgebirge jetzt die Fliege? Sachsen Landwirtschaftsminister Georg-Ludwig von Breitenbuch überlegt, das 1,8-Millionen teure Einwanderungsprogramm einzustampfen. Motto: Sollen die Kätzchen doch von selbst aus Bayern oder dem Harz zu uns kommen, anstatt sie mit viel Kohle bei uns heimisch zu machen.  Der dpa sagte er, dass er angesichts leerer Kassen im Lande manche Natur- und Artenschutzprogramme kritisch sieht. Man hätte schon mit Birkhuhn und Wolf genug zu tun. Der CDU-Politiker: „Da hätte man nicht unbedingt im Jahr der Landtagswahl 2024 noch den Luchs auswildern müssen.“

Minister in der Falle

Wobei er mit diesem Satz selbst in eine tierische Falle tappte.  Denn das Programm „RELynx Sachsen“ läuft schon seit 2022. Der Plan war, binnen fünf Jahren 20 Karpatenluchse (Lynx lynx carpathicus) im Erz- und Elbsandsteingebirge auszuwildern. Fünf wurden zunächst im Raum Eibenstock ausgewildert. Doch die Katzen gaben sich bockig. Von der fünfköpfigen Püschelohren-Gang macht nur Luchs-Dame Alva auf Heimchen, hält sich bis heute im Westerzgebirge/Vogtland auf.

Kätzchen Nova, so ein Luder, trieb die Lust in Richtung Thüringen, wo sie hofft, auf einen Kater zu treffen. Der stattliche Juno hat sich seines Senders entledigt, ist nicht zu orten und Anton wurde von einem Auto getötet. Kater Chapo liegt immerhin noch am böhmischen Keilberg auf Lauer.

Die Frage des Ministers, ob dafür 1,8 Millionen Euro ausgegeben werden müssen, scheint berechtigt, wenn die Luchse doch so flatterhaft sind.

Nicht nur den Luchs vor der Flinte 

Aber nicht nur den Luchs hat Georg-Ludwig von Breitenbuch ins Visier genommen. Dass man im Erzgebirgsland Fichtenwald rodete, damit das Birkhuhn sicher landen kann, hält von Breitenbuch für übertrieben. In manchen Gegenden habe man zwar auf die Gegebenheiten geachtet. „Aber dass man bei Johanngeorgenstadt 20 Jahre alte Bäume für das Birkhuhn fällte, hat die Menschen dort verärgert.“ Hier wünsche er sich mehr Augenmaß.

Menschliche Netzwerke

Dem Minister geht es nicht nur um das Auswildern an sich. Jedes Mal würden um die Tiere herum ganze Netzwerke mit Personal entstehen. „Auch das hinterfrage ich.“ Er trete für einen ausgewogenen Artenschutz ein, der bestehende Interessenlagen bestenfalls verbinde und ausgleiche. Bei einigen Tieren gebe es europarechtliche Vorgaben, und Artenvielfalt gehöre zur sächsischen Landschaft. Da sei man zum Schutz der Tiere verpflichtet.

Wie viel Geld ausgegeben wird, weiß man nicht 

Sachsen hat seit 1990 viel Geld in den Artenschutz gesteckt. Genau lässt sich die Summe gar nicht ermitteln, denn an den Projekten sind verschiedene Behörden und Partner beteiligt. Neben Geld aus dem Landeshaushalt fließen auch Mittel des Bundes und der EU. Eines der bekanntesten Landesprogramme betrifft die Wiederansiedlung des Lachses in der Elbe und anderen Flüssen. Dafür werden jedes Jahr etwa 50.000 Euro ausgegeben. Auch Feldhamster, Weißstorch, Luchs oder Birkhuhn bekommen finanzielle Hilfe.

Neue tierische Sachsen

Der Rückgang von Insekten in den vergangenen Jahrzehnten treffe zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf Sachsen zu, sagt Karin Bernhardt, Sprecherin des Landesamtes für Umwelt, Geologie und Landwirtschaft. „Es gibt aber auch Arten, die von den aktuellen klimatischen Bedingungen profitieren und ihr Verbreitungsgebiet nach Norden ausdehnen.“ Als Beleg führt sie Libellenarten wie die Feuerlibelle und den Kleinen Blaupfeil an. Auch der Scharlachkäfer oder Libellen namens Gabel-Azurjungfer sind inzwischen echte Sachsen. 

So sieht es im Wasser aus

Auch Auflagen der europäischen Wasserrichtlinie zeigen Effekte. So konnten sich Fischarten wie Barbe, Elritze und Rapfen ausbreiten oder verlorenen Lebensraum wiederbesiedeln.  Dagegen musste Sachsen eine erhebliche Abnahme der Bestände beim Europäischen Edelkrebs hinnehmen. Grund ist die zunehmende Ausbreitung mehrerer nordamerikanischer Flusskrebsarten, die Träger der tödlichen Krebspest sind. Die Vorkommen an Steinkrebs sind in Sachsen vermutlich sogar erloschen. Ein letzter Nachweis stammt von 2019.

Sieben Millionen für eine Muschel

Auch die im Vogtland beheimatete Flussperlmuschel braucht menschlichen Beistand und bekommt ihn über ein bundesweites Programm.  Im Projekt „MARA“ wird das Tierchen, das über 100 Jahre alt werden kann, in Bayern, NRW und in Sachsen umsorgt. Kosten? Sieben Millionen Euro, die Berlin bezahlt. Wenn Georg-Ludwig von Breitenbuch „MARA“ vor die Flinte bekäme... (mit dpa)