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Die Künstler schoren sich 1981 die Köpfe kahl, um gegen den Einzug der Sowjettruppen in Afghanistan zu protestieren.
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Die regelmäßigen Mittwochsgespräche hatten zwischen Thüringer Wald und Ostsee Kultstatus.
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Die einstigen Mitglieder der Künstlergruppe „Clara Mosch“, Thomas Ranft (v.l.), Dagmar Ranft-Schinke, Michael Morgner und Gregor-Torsten Schade (Kozik), stehen während einer Vorbesichtigung in den Kunstsammlungen Chemnitz in der neuen Sonderausstellung.
Kunst & kahle Köpfe: Ein Date mit Clara Mosch
Sie waren jung, sie waren wild, sie waren unangepasst - und sie suchten ihren Freiraum. Carlfriedrich Claus, Thomas Ranft, Michael Morgner, Gregor Schade und Dagmar Ranft-Schinke, die für die Chemnitzer Künstlergruppe Clara Mosch namensgeben waren, fanden ihren Freiraum ab 1977 in der Galerie Oben.
Schnell wurde das Haus in der Inneren Klosterstraße zum Zentrum der unabhängigen Kunstszene der gesamten DDR. Ein Hauch Boheme, eine Brise Individualismus, eine Portion Protest - und das im Schatten des Nischels.
Inneneinrichtung mit Esprit
Die Gestaltung der Galerie Oben: Kunst für sich. Die Ausstellungsräume lagen durch eine Wendeltreppe erreichbar im ersten Stock. Schwarzer Fußboden, schwarze Decke, umlaufende schwarze Sitzbank - alles trug die Handschriften von Formgestalter Reinhardt Grütz und Holzbildhauer Hans Brockhage.
Die Aktionen von Clara Mosch? Legendär!
Die Künstler schoren sich 1981 die Köpfe kahl, um gegen den Einzug der Sowjettruppen in Afghanistan zu protestieren und tarnten die Aktion als verlorene Wette gegen Friseure.
Sie kauften in Apotheken massig Mullbinden, um mit ihnen im thüringischen Tambach Bäume zu verbinden und auf das Waldsterben aufmerksam zu machen.
Unter der Galerie Oben boten die Künstler hochwertige Designer-Weihnachtsartikel aus dem Erzgebirge an, um ihre Aktionen finanzieren zu können.
Die regelmäßigen Mittwochsgespräche erlangten zwischen Thüringer Wald und Ostsee schnell Kultstatus, boten Platz für Musik, Dialog und Gedanken.
Nicht zu vergessen die sogenannten Pleinairs, bei denen die Kunst vom gemeinsamen Brotbacken („Mehl Art“) über Fußballspiele bis hin zu „Land-Art-Projekten“ wie dem Leussow-Recycling reichte.
Treffen Sie Clara Mosch in den Kunstsammlungen
Man könnte noch viel schreiben - oder auf die neue Ausstellung in den Kunstsammlungen Chemnitz verweisen. Denn hier gibt es ab Donnerstag (20. Februar) intime Einblicke in das wilde Leben der Galerie Oben und der Künstlergruppe Clara Mosch. Schon am heutigen Mittwoch finden die Eröffnung statt. Unter anderem mit Jazz-Gitarrist Helmut „Joe“ Sachse.
Kuratorin Marie Winter:
„Durch eine Vielzahl an Fotografien, Originaldokumenten und Kunstwerken wird das Lebensgefühl der 1970er und 1980er Jahre wieder lebendig – eine Zeit, in der Karl-Marx-Stadt ein Zentrum der unabhängigen Kunstszene war. Die Ausstellung basiert auf einem umfangreichen Archivbestand, der bereits teilweise in den Kunstsammlungen Chemnitz vorhanden war. Ein bedeutendes Konvolut der Galerie Oben kam jedoch erst 2022 hinzu. Seitdem haben wir es kontinuierlich gesichtet und bearbeitet. Die Vorbereitung der Ausstellung dauerte insgesamt ein Jahr.“
Wechselnde Präsentationen mit Arbeiten von Thomas Ranft, Michael Morgner, Núria Quevedo, Gerhard Altenbourg, Hans Brockhage, Carlfriedrich Claus, Dagmar Ranft-Schinke, Lutz Dammbeck, Gregor Torsten Kozik, Klaus Hähner-Springmühl, Erich Wolfgang Hartzsch und Irene Bösch gewähren vielfältige Einblicke.
Florence Thurmes, die Direktorin der Kunstsammlungen:
„Im Jahr der Kulturhauptstadt Europas ist es uns ein besonderes Anliegen, die Bedeutung der Galerie Oben und Clara Mosch nicht nur lokal, sondern auch international zu vermitteln. Diese Szene war weit mehr als ein regionales Phänomen – sie hatte eine bedeutende Stellung in der deutschen Kunstgeschichte. Gleichzeitig richtet sich die Ausstellung an die Chemnitzerinnen und Chemnitzer, die sich an die Galerie erinnern und diese Zeit noch einmal nacherleben können. Denn für viele war die Galerie Oben ein Ort der Begegnung, des Austauschs und der freien Kunst – ein lebendiges Stück Geschichte.“