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Feierliche Eröffnung des Lichtfestes auf dem Nikolaikirchhof. U.a. mit Oberbürgermeister Burkhard Jung, Irina Scherbakowa (Memorial), Carsten Schneider (Ostbeauftragter der Bundesregierung) und Joachim Gauck (Bundespräsident a.D.).
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Emotionale Momente auf dem Nikolaikirchhof.
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Die Kerzen-89 auf dem Nikolaikirchhof.
Leipzig erinnert mit Lichtfest an die Friedliche Revolution
Mit dem Lichtfest sind in Leipzig am Sonntagabend die Feierlichkeiten in Erinnerung an die Friedliche Revolution 1989 zuende gegangen. Drei Lichtinstallationen internationaler Künstlerteams sowie die traditionelle Kerzen-89 auf dem Nikolaikirchhof lockten zahlreiche Menschen in die Innenstadt. Beim Friedensgebet in der Nikolaikirche waren auch Alt-Bundespräsident Joachim Gauck und Ministerpräsident Michael Kretschmer dabei.
Oberbürgermeister Burkhard Jung das Lichtfest auf dem Nikolaikirchhof. Er nahm Bezug auf das aktuelle Kriegsgeschehen in der Ukraine: „Wir sagen aus Leipzig heraus: Wir wollen uns nicht an diesen Krieg gewöhnen, an dieses Unrecht, das tagtäglich passiert. Wir sind an der Seite derer, die für die Menschen eintreten. Es geht um Menschlichkeit! Das ist die Botschaft: Kein Mensch ist wichtiger als der andere. Frieden ist die oberste Maxime. Frieden, der mit Freiheit zusammen gedacht werden muss. Lasst uns mit dem Licht in den Händen ein Stück Hoffnung hinaustragen. Die Hoffnung, dass Frieden möglich sein muss.“
Die frisch gekürte Friedensnobelpreis-Trägerin Irina Scherbakowa hielt diesmal die „Rede zur Demokratie“: „Eine Zeit lang schienen Menschenrechte, Freiheit und Demokratie eine Selbstverständlichkeit zu sein. Diese schreckliche moralische, wirtschaftliche und politische Katastrophe zeigt nun, wie wertvoll das alles ist - und dass es jeden betrifft“, so Irina Scherbakowa. „Wenn ich die Lichter sehe, denke ich daran, dass sie auch den Opfern gelten, die dieser blutige Krieg in der Ukraine gebracht hat.“
Die russische Historikerin und Germanistin ist die Mitgründerin der Menschenrechtsorganisation Memorial, der am Freitag der Friedensnobelpreis zuerkannt wurde. Scherbakowa lebt derzeit in Thüringen im Exil.
Sehr persönliche und berührende Worte fand auch Liubov Lysenko, Dozentin an der Kiewer Musikhochschule, die im März mit ihren Kindern nach Leipzig geflüchtet war. Sie sieht trotz aller Unterschiede Parallelen: Wie damals bei der Friedlichen Revolution, so gehe es auch beim blutigen Kampf der Ukraine um gemeinsame Werte: „Respekt vor der Menschenwürde, das Recht zu wählen, die Möglichkeit, die eigene Meinung frei zu äußern und frei zu leben“. Angesichts des Kerzenmeeres auf dem Nikolaikirchhof äußerte sie den Wunsch und die tiefe Hoffnung, dass das Licht die Finsternis besiegen möge.
Die diesjährigen Lichtinstallationen fanden sehr positive Resonanz. Auf dem Burgplatz begeisterte ein begehbares Kaleidoskop mit seinem multimedialen, farbenfrohen Innenleben. Auf dem Richard-Wagner-Platz griffen vor allem junge Leute zum Controller, um beim digitalen Graffitisprühen, dem Light Spray, mitzumachen. Die Großprojektion von Augenpaaren auf dem Opernhaus war buchstäblich der Blickfang auf dem Augustusplatz.
Marit Schulz, Leiterin Lichtfest Leipzig und Prokuristin der Leipzig Tourismus und Marketing GmbH, bilanziert zufrieden: „An allen drei Lichtorten herrschte großes Besucherinteresse, die Gäste waren viel im Gespräch untereinander. Ganz besonders freue ich mich darüber, dass die erstmals angebotenen kostenlosen Rundgänge so gut angenommen wurden.“ Gästeführer und Zeitzeugen berichteten dabei über die Hintergründe der Projekte, die Künstler und den Herbst 89.
Mit dem Lichtfest Leipzig, dem Friedensgebet und der „Rede zur Demokratie“ erinnert die Stadt Leipzig alljährlich am 9. Oktober an die Ereignisse der Friedlichen Revolution im Herbst 1989.
Bereits seit 1982 hatten Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsgruppen regelmäßig zu Friedensgebeten in die Nikolaikirche eingeladen. Von hier gingen im September 1989 die Montagsdemonstrationen aus. Nach den Friedensgebeten in mehreren Kirchen versammelten sich am 9. Oktober in der Leipziger Innenstadt schließlich mehr als 70.000 Menschen, um gewaltfrei zu demonstrieren – der Durchbruch für die Friedliche Revolution und ein Schlüsselereignis der deutschen und europäischen Geschichte.
Der 9. Oktober 1989 gilt als Voraussetzung für den Fall der Mauer am 9. November und die deutsche Wiedervereinigung.