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Juliane Schmidt und Elias Immanuel Veit posierten vor dem Prozess für die Fotografen.
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Im Gericht hielten die Angeklagten lange Monologe zur aus ihrer Sicht drohenden Klima-Katastrophe.
Prozess um Farbanschlag: Rabauken oder Retter?
Wie weit darf man gehen, um löbliche Ziele zu erreichen? Legte man die Grundsätze von Niccolò Machiavelli (1469 bis 1527) an, dann bis über jede Grenze. Für ihn galt der Grundsatz: „Der Zweck heiligt die Mittel“.
Für den Chemnitzer Amtsrichter Lukas Molendzki ist aber spätestens bei Sachbeschädigungen Schluss. Deshalb verurteilte er am Donnerstagnachmittag Elias Immanuel Veit und Juliane Schmidt wegen Sachbeschädigung zu Geldstrafen.
Der Prozess
Vorher hatte er sich über Stunden angehört, was die Klimaextremisten der selbsternannten „Letzten Generation“ bewogen hatte, am 22. Juni 2023 die Filiale der Deutschen Bank am Chemnitzer Falkeplatz mit oranger Farbe zu besprühen, die sie vorher in Feuerlöscher gepresst hatten.
Juliane Schmidt (blaue Jeans, zerknitterte bleichblaue Bluse, die mittellangen braunen Haare hinter die Ohren geklemmt) erzählte von einem Urlaub in Schweden, wo sie schlimme Waldbrände erlebt hatte. Elias Immanuel Veit (dunkelblauer Hoodie, schwarze Hose, die mittellangen braunen Haare zum Zopf gebunden) schilderte, wie er als Jugendlicher ein Hochwasser miterleben musste.
Immer wieder nippten beide an ihren mit Wasser gefüllten Coca-Cola-Plastikflaschen. Immer wieder holten sie neue Schriftsätze hervor, die vorzutragen ihnen eine Herzensangelegenheit war.
Der Inhalt: Düstere Szenarien der aus ihrer Sicht drohenden Klimakatastrophe, die die gesamte Menschheit bedrohe. Bundeswehrstudien, die in 30 Jahren dramatischen Dürren mit hunderttausenden Toten allein in Deutschland prognostizierten, wurden zitiert. Bei Juliane Schmidt flossen sogar Tränen.
Die Strategie
Die Taktik von Verteidigerin Isabel Antz und den Angeklagten: Sie versuchten klarzumachen, dass die Straftat aus unausweichlichen Zwängen heraus erfolgte. Motto: Wir konnten nicht anders, also taten wir es.
Strafrechtlich führten sie die Paragrafen 34 Strafgesetzbuch (StGB) „Rechtfertigender Notstand“ und 35 StGB „Entschuldigender Notstand“ ins Felde.
Um die Schuldminderungs-Szenarien zu stützen, beantragte die Verteidigung die Beweisaufnahme zu erweitern.
So sollten Wissenschaftler gehört werden, die die Klimakatastrophe dramatisch belegen. Andere hätten ausführen sollen, dass ziviler Ungehorsam ein wirkungsvolles Mittel sei, um Ziele zu erreichen.
Selbst Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir wollte man im Prozess sehen, weil er wegen der 'ungehorsamen' Bauernproteste Zugeständnisse gemacht hätte. Schließlich hätten Experten ausführen sollen, weshalb gerade die Deutsche Bank als Anschlagsziel gewählt wurde. Aus Sicht der Angeklagten zählt die zu den Klima-Bösewichten, weil sie die Öl-, Gas- und Kohle-Industrie finanzieren würde.
Wussten sie nicht, was sie taten?
Als dritte Strategie hatte sich die Verteidigung den 'Verbotsirrtum' nach Paragraf 17 StGB zurechtgelegt, in dem steht, dass es strafmildernd ist, wenn man eine Tat begehe ohne sich einer Schuld bewusst zu sein. Stützendes Element war hier ein Urteil des Amtsgerichtes Flensburg, das einen Wald-Besetzer in erster Instanz vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs frei gesprochen hatte. Der Gedankengang: Wenn Waldbesetzungen als Mittel gegen den Klimawandel rechtens sind, müssten es Farbanschläge auch sein.
Das Urteil
Am Ende zog der Richter eine klare Grenze. Die Bürgergeldempfängerin Juliane Schmidt muss 900 Euro, der Sicherheitsdienstmitarbeiter Elias Immanuel Veit 1.800 Euro Strafe wegen Sachbeschädigung zahlen. Die Kosten für das Verfahren kommen noch dazu. Weil die Höhe des Sachschadens im Prozess nicht klar belegt werden konnte, wurde die ursprünglich Höhe von 15.000 Euro auf 7.500 Euro gemindert. Das Geld kann die Deutsche Bank jetzt auf dem Zivilweg einklagen.
Die Begründung
In seiner Urteilsbegründung erläuterte Lukas Molendzki, dass er die Gefahr durch den Klimawandel nicht in Abrede stelle und die Angeklagten sich in den Dienst eines lobenswerten Zieles gestellt hätten. Das rechtfertige aber keine Sachbeschädigungen. Die Tat habe keine Notstände behoben, und ein Verbotsirrtum liege auch nicht vor, weil es in anderen Prozessen gegen Klimaaktivisten auch Verurteilungen gegeben habe. Das sei hinlänglich bekannt gewesen.