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„Wie im Kindergarten“ - ein Schaffner zieht Bilanz und ein Nachruf auf das 9-Euro-Ticket

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Mit neun Euro kreuz und quer durch die Republik - nur noch heute! Das 9-Euro-Ticket läuft ab. Die Verkehrsunternehmen wie Deutsche Bahn, Länderbahn und Ostdeutscher Eisenbahngesellschaft ODEG haben Millionen Tickets verkauft. Zu Beginn der Monate Juni, Juli und August hatten sich an den Fahrkartenschaltern lange Schlangen gebildet. „Ein Erfolg“, jubeln Politiker. Zugbegleiter und Pendler atmen auf.

Der gewünschte Effekt, dass Pendler ihr Auto stehen lassen und  in den Zug steigen, stellte sich aber kaum oder gar nicht ein. Das ergab auch eine  Umfrage unseres Senders bei ODEG und Länderbahn.  In die ODEG-Bahnen stiegen vor allem Urlauber, Rentner und Schülergruppen. Ähnlich die Einschätzung der Länderbahn.

„Zugfahren schlimmer als Kindergarten“

Froh, dass es nun endlich vorbei ist, sind viele Zugbegleiter. Sie machen drei Kreuze.  Der ODEG-Kundenbetreuer, der seinen Namen  hier nicht lesen will, könnte nach diesen drei Monaten ein Buch schreiben. An einem Haltepunkt auf der Strecke Zittau - Cottbus stand ein Radfahrer. Der Zug war überfüllt. Der Mann „im gesetzten Alter“ wollte unbedingt mit. Aussichtslos. „Daraufhin schmiss er sich auf den Bahnsteig und brüllte wie ein Kind.“ Ein Schwarzfahrer, der sich in der Zugtoilette versteckt hatte, wurde handgreiflich. Er packte den Schaffner am Kragen und stieß ihn durch das Abteil. Andere Kollegen seien angespuckt und bedroht worden - ganz zu schweigen von Pöbeleien und Beschimpfungen. Fußballfans hinderten einen Lokführer für über eine halbe Stunde an der Weiterfahrt. Sie stellten sich an einer Station in die Tür. Ihre Kumpels gingen einkaufen. Die jungen Männer hatten kein Bier mehr. Fazit des geschafften ODEG-Schaffners: „Zugfahren ist schlimmer als Kindergarten“.

Krankenscheine und Zugausfälle

Viele Zugbegleiter hielten das Abenteuer 9-Euro-Ticket nicht durch. Sie meldeten sich krank - nicht nur bei der ODEG. Auch die Länderbahn hatte in den vergangenen drei Monaten Personalprobleme. Züge fielen aus. Bahnen waren ohne Kundenbetreuer auf Achse.

Drei Kreuze machen nun auch viele Pendler. Kein Gedrängel mehr beim Ein- und Aussteigen, kein Gerangel um einen Sitzplatz, keine pöbelnden Fahrgäste. Nicht wenige waren in den zurückliegenden drei Monaten aufs Auto umgestiegen, weil sie relativ entspannt ankommen wollten.

Audio:

Reporter Knut-Michael Kunoth mit einem Nachruf auf das 9-Euro-Ticket